Wellness für Autoren

Buchmesse Convent 2016 - Ein Tag unter Phantasten

Seien wir mal ehrlich: In welchem Biotop kann ein Autor sich schon so artgerecht entfalten wie auf einer Convention für phantastische Literatur, umschwirrt von seinen Symbiosepartnern (freundlichen Verlegern und kaufwütigen Fans) und einer Horde enthusiastisch schnatternder Artgenossen? Und wo sonst kann der ambitionierte, aber hoffnungslos unbekannte Kurzgeschichtenschreiber seinen erfolgreichen, Lamborghini fahrenden Vorbildern so hemmungslos auf den Pelz rücken?

Kein Wunder, dass ich ein Jahr lang auf diesen einen, besonderen Tag hingefiebert habe.

Am 22. Oktober ist es endlich so weit. Weltuntergangsartigen Regen hat die Wetter-App am Abend vorher für den Raum Frankfurt angedroht. Sicherheitshalber kalkuliere ich eine halbe Stunde mehr Fahrzeit ein.

Nach relativ entspannender Fahrt bei leichtem Regen stehe ich schließlich vor dem Bürgerhaus Dreieich-Sprendlingen - eine halbe Stunde zu früh. Von den erwarteten Besucherströmen ist weit und breit noch nichts zu sehen.

Während ich noch überlege, womit ich die Zeit überbrücken soll, biegt Verlegerin Ingrid Pointecker um die Ecke.


Laura Dümpelfeld, Ingrid Pointecker (als Mia Faber mit ihrem Wälzer "Unruh - Das Ticken den Uhrwerks") und Melanie Vogltanz.

Ihr Verlag ohneohren ist schon dreien meiner Stories ein flauschiges Nest, und ein größeres gemeinsames Projekt steht in den Startlöchern. Während wir darüber schwatzen, trudeln die nächsten bekannten Gesichter ein: Die Wiener Connection Melanie Vogltanz, Werner Graf und Jaqueline Mayerhofer und die aus der Schweiz angereiste Bianca Riescher.

Inwischen ist es zehn Uhr, und der BuCon öffnet seine Pforten. Bewaffnet mit der zentnerschweren Con-Tüte stürze ich mich ins Getümmel. Erstaunlich, wie schnell der Saal sich mit Menschen füllt.


Ab jetzt reiht sich ein Treffen ans andere. Mein Verleger Marc Hamacher vom kleinen, aber feinen Leseratten-Verlag und seine Stammautorin Tanja Kummer machen den Anfang. Der neue Star im Sortiment ist das wahrscheinlich (aber-)witzigste Buch, das man auf dem BuCon finden kann: "Funtastik" (Pfui, Eigenwerbung. Schlagt mich!).

Am Stand treffe ich Björn Bedey vom steil durchstartenden Acabus-Verlag - und gleich darauf die Bloggerin meines Vertauens, die bezaubernde Cindy "Piranhapudel". Aus Cindys Sicht werde ich mich im Laufe des Tages keinen Meter vorwärts bewegen - wir treffen uns immer an derselben Stelle.


Ich könnte wie eine Flipperkugel von einem Gespräch zum nächsten hüpfen, merke aber noch rechtzeitig, dass es kurz vor zehn ist: Zeit für die erste Lesung! Letztes Jahr war ich mit dem Programm noch etwas überfordert, diesmal habe ich einen PLAN. Überraschenderweise halte ich ihn sogar ein.

Der Verlag ohneohren stellt drei Autorinnen und drei Dystopien vor: Melanie Vogltanz liest aus "Ararat - die Sündenflut", Alessandra Reß (Foto) aus "Spielende Götter" und Claudia Mayer aus "Innocence Lost". Alle drei beeindrucken mich durch ihre klare Erzählstimme und ihren sicheren Vortrag, alle drei haben, wenn ich von den vorgelesenen Passagen auf den Rest schließen darf, sehr spannende, ungewöhnliche Romane mit Tiefgang geschrieben.


Die kommenden vier Stunden habe ich mir für Gespräche freigehalten, und selbst diese Spanne erweist sich im Nachhinein als knapp bemessen. Auf dem BuCon scheint die Zeit schneller zu fließen.

Besonders erfreut bin ich über die Gelegenheit, mit den "Promi-Autoren" Oliver Plaschka und Robert Corvus zu sprechen. Robert, ein sehr lockerer und begeisterungsfähiger Typ, erzählt mir von der Phileasson-Saga, die er zusammen mit Bernhard Hennen schreibt (Als DSA-Fan läuft mir das Wasser im Mund zusammen). Leider, so verrät er, werde es dieses Mal keine Gesangseinlage mit dem Publikum geben, wie er es die letzten Male gemacht hatte. Na, umso besser, denke ich. Ist doch klar, dass ich die Lesung besuchen werde, obwohl Oliver zur selben Zeit liest. Aber da war ich ja schon letztes Jahr.

Alte und neue Bekanntschaften kreuzen jetzt im Minutentakt meinen Weg. Gar nicht so einfach, ein zusammenhängendes Gespräch mit meinem Freund und Betaleser Robert von Cube zu führen. Überall tauchen bekannte Gesichter auf. Torsten und Tina Low an ihrem Verlagsstand sind natürlich Pflichtbesuche, schließlich erscheint dort heute die Siegeranthologie "Labyrinthe" der Storyolympiade, in der ich vertreten bin. Und meine Story in den "Phantastischen Sportlern" ist auch noch bei Torsten in der Pipeline.

Robert Friedrich von Cube und Markus Cremer


Weiter geht es bei Grit Richter vom Art Skript Phantastik Verlag (die mit den laaaaangen Wimpern) und ihrer Verlagsfee Melanie, deren Mission es ist, den gesamten BuCon zu knuddeln (Ich glaube, das ist ihr auch gelungen. Mehrfach). Und an Ingrids Stand nebenan sind natürlich immer einige "ohneohrige" Autoren zu finden. Markus Cremer, Laura Dümpelfeld und Luzia Pfyl, ohne euch hätte mir was gefehlt!

Zwei Uhr. Torsten Low bittet alle seine Autoren zum Gruppenfoto auf die Bühne. Wie viele sind wir eigentlich? Ich muss wohl auf das Foto warten. Aber wo wir alle so schön zusammenstehen, nutze ich die Gelegenheit, ein paar Kollegen kennenzulernen: Günther Kienle und Jörg Fuchs Alameda. Leider vergeht die Zeit so schnell, dass mir für viele andere nur ein Handschütteln bleibt - und der Vorsatz, Torstens Autorenteam nächstes Mal mehr Aufmerksamkeit zu widmen. Denn jetzt stehen die nächsten Lesungen an.

Grit Richter, Markus Cremer, sein Alter Ego Archibald Leach, Cover-Künstler Martin Schlierkamp und Katharina Fiona Bode

Grit und Ingrid (Ja, sie sind nicht nur Verlegerinnen, sie können auch schreiben) lesen aus ihren eigenen Werken, die bei Art Skript Phantastik erschienen sind, und Katharina Fiona Bode stellt ihren Erasmus-Emmerich-Roman vor. Und wie! Als Erzählerin steckt sie die etablierten Autoren locker in die Tasche. Ich kann nicht anders, ich muss ihr Buch kaufen und signieren lassen.

Als Bonbon und humoristischen Höhepunkt zaubern Grit und Markus das fantastische Cover für den bald erscheinenden Archibald-Leach-Roman von Markus aus dem Hut - samt Künstler Martin Schlierkamp.


Ich habe weiter oben die Story-Olympiade erwähnt. Deren vier Sieger (der dritte Platz wurde wegen Punkte-Gleichstand zweimal vergeben) werden um vier Uhr auf die Bühne gebeten. Überraschung: Der Sieger von 2014 ist der Sieger von 2016. Herzlichen Glückwunsch, Günter Wirtz! Das muss dir erst mal einer nachmachen.

Tatjana Stöckler (Jury), Günter Wirtz, Joachim Tabaczek (2. Platz), Daniel Huster und Michael Edelbrock (jeweils 3. Platz), Torsten Low

Ich begebe mich zur Lesung von Corvus und Hennen und stelle fest, dass sie um eine Stunde verschoben worden ist. Hey, dann kann ich ja doch zu zu Oliver Plaschka!

Olivers Lesung ist intensiv, die Story atmosphärisch dicht und beklemmend. Obwohl ich "Jenseits der Mauer des Morgens" schon gelesen habe, bekomme ich eine Gänsehaut.

Im Wechsel mit ihm liest Erik Hauser aus "Jenseits des Rheins". Die Einführung kann mich nicht packen, aber dann geht es mit schwarzem Humor á la Tom Sharpe ans Eingemachte, und ich bin versöhnt (Erst hinterher fällt mir ein, woran sein Buch mich erinnert: an Siegfried Lenz’ "So zärtlich war Suleyken"). Wir kommen ins Gespräch über die "Verschluss-sache", in der wir beide mit einer Kurzgeschichte vertreten sind. Mir fällt siedend heiß ein, dass später der Deutsche Phantastik-Preis vergeben wird und die Anthologie nominiert ist.

Die beiden fleißig signierenden Herren links gehören zu den Alpha-Tieren auf dem BuCon: Robert Corvus und Bernhard Hennen. Sie tragen gemeinsam und in schnellem Wechsel aus "Die Phileasson-Saga - Himmelsturm" vor, und tatsächlich werden wehmütige Erinnerungen an die guten alten DSA-Zeiten wach.

Robert hatte mir erzählt, er schreibe die Kapitel über Phileasson, während Bernhard den Part des Blenders, des bösen Gegenspielers, übernehme.


Weil (Augenzwinkern) das Bernhards Naturell entgegenkomme. Als ich Bernhards Stimme höre, bin ich geneigt, das wörtlich zu nehmen: Er hätte hervorragend Professor Snape synchronisieren können.

Als nach einer Fragerunde Robert den letzten Programmpunkt verkündet und Bernhard sich grinsend davonstiehlt, weiß ich, dass ich rettungslos verloren bin. Robert beginnt, Zettel im Publikum zu verteilen, und ich denke über möglichst schmerzhafte Foltermethoden für ihn nach.

Am Ende singe ich mit allen anderen zur Melodie der "Biene Maja" den "Schwester-Shaya-Song" ("Shaya pullt durch ihre Welt / Stets, wie's Travia gefällt").

Liebe Leute, falls ihr irgendwann auf eine Lesung von Robert Corvus geht: Behauptet hinterher nicht, ich hätte euch nicht gewarnt!

Die Verleihung des Deutschen Phantastik Preises bildet Höhepunkt und krönenden Abschluss des BuCons. Die meisten Kategorien lassen meinen Blutdruck unberührt, aber als es um die beste Anthologie geht, werde ich doch nervös. Schließlich ist die "Verschlusssache" ja auch irgendwie mein Buch. Hinter mir sitzen die Ohneohrigen wie die Hühner auf der Stange und sehen nicht minder angespannt aus. Nur Ingrid zeigt ihr Pokergesicht: Sie weiß natürlich schon Bescheid.

Lauter Jubel bricht los, und ich stelle fest, dass ich mitjubele. Ein paar Meter weiter springt die kleine Grit auf, stürmt auf die Bühne und reißt den Preis an sich. Erster Platz für "Die dunkelbunten Farben des Steampunk". Liebe Grit, herzlichen Glückwunsch! So bleibt der Preis immerhin in der Familie.

Als dann noch Oliver Plaschka den Preis für die beste Kurzgeschichte erhält, bin ich richtig happy. "Das öde Land" ist die beste phantastische Story, die ich je gelesen habe, und aus dieser Überzeugung heraus habe ich fleißig Stimmen geworben.

Alle Gewinner findet ihr auf der Seite des DPP.

Der BuCon 2016 geht für mich mit Umarmungen und Händeschütteln zu Ende. Es war ein irrer Tag, anstrengend und euphorisierend, randvoll mit Eindrücken und Emotionen. Für den Autor in mir der schönste und wichtigste Tag des Jahres.

Das schönste daran waren jedoch die vielen Begegnungen, die neuen und die vertieften Freundschaften. Die Erkenntnis, dass zwei Autoren immer etwas haben, über dass sie sich unterhalten können, und dass da immer irgendwo die gleiche Art von Verrücktheit lauert. Die Selbstverständlichkeit, mit der man sich als Freund begrüßt, obwohl man sich bisher nur auf facebook kannte. Die neidlose Freude an den Erfolgen der Kollegen.

Ich freue mich auf 2017.

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